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Projekt Langlebigkeit: 100. Zug modernisiert

Matthias Stauske gibt im Interview Einblick in die Arbeiten des Teams.

Matthias Stauske, Referent für schwere Instandhaltung
Matthias Stauske, Referent für schwere Instandhaltung

Mit dem Projekt Langlebigkeit macht die S-Bahn Berlin ihre Züge der Baureihe 481 fit für die Zukunft. So wird die verjüngte Flotte für mindestens zehn weitere Jahre auf den Schienen unterwegs sein. Inzwischen hat bereits der 100. modernisierte Zug das Werk Schöneweide verlassen. Matthias Stauske, Referent für schwere Instandhaltung und für das Projekt Langlebigkeit, gibt im Interview einen Einblick in die Arbeiten des Teams.

Herr Stauske, inzwischen hat bereits der 100. Viertelzug der Baureihe 481 eine Frischekur erhalten und ist zurück auf der Strecke. Stellt sich bei so einem großen Projekt eigentlich irgendwann eine Routine ein – oder gibt es noch Überraschungen, auf die es zu reagieren gilt?

Matthias Stauske: Eine gewisse Routine stellt sich schon ein – gerade in den Planungsprozessen oder bei den Arbeiten selbst, wie beispielsweise der Demontage. Wir nehmen die einzelnen Fahrzeuge komplett auseinander, somit bleibt im Innenraum, bis auf den Führerstand, nichts übrig: Fußboden, Haltestangen, Sitze, Trennwände, Windfangscheiben, Innenverkleidung – alles kommt raus. Eine richtige Routine konnten wir auch bei der Materiallogistik entwickeln.

Warum gerade da?

Matthias Stauske: Wir haben das so organisiert, dass wir im Werk Schöneweide verschiedene Stände haben, auf denen die Wagenkästen stehen und haben dann jedem Stand ein Arbeitspaket zugeordnet. Damit wird zum Beispiel an einem Stand immer der Fußboden eingebaut, sodass die Materiallieferungen auch immer an den gleichen Stand erfolgen. Interessant wird es, wenn der vorgefundene Zustand an den Fahrzeugen von der Vorbereitung abweicht – und das ist meist bei der Montage der Fall.

Weil die Züge zwar von außen alle gleich aussehen, dann aber im Detail doch nicht gleich sind?

Matthias Stauske: Genau. Wir haben 500 Fahrzeuge der Baureihe 481, die Kollegen sagen aber gerne: Wir haben 500 Prototypen.

Material lagert während der Sanierung auf Gestellen
Das Material, das aus den alten Zügen ausgebaut wird, passt auf eine Fläche von etwa 18 mal 3,5 Metern – darunter Sitzgestelle, Seitenwände, Heizungskanäle, Dachhauben. Dafür wurden spezielle Ladungsträger angeschafft, um die Teile sicher zu lagern.
Die Deckenelektronik und die Leuchtmittel sind grundlegender Bestandteil der Modernisierung.

Das klingt nach der einen oder anderen Überraschung, die Sie während des Umbaus erlebt haben. Können Sie von einer erzählen?

Matthias Stauske: Ein ganz eindrucksvolles Beispiel gibt es beim Thema Fußboden. Der ist grundsätzlich immer gleich aufgebaut: Da sind Gummibeilagen darunter, die man ausrichtet und ausgleicht und darüber kommt ein Holzfußboden, der normalerweise mit 900 Schrauben am Wagenkasten befestigt ist. Doch dann gab es ein Fahrzeug bei dem der Fußboden lediglich am Wagenkasten verklebt war. Da war für uns natürlich die Frage: Was machen wir jetzt?

Und, was haben Sie gemacht?

Matthias Stauske: Als Instandhalter müssen wir nach Regelwerk, also Vorgaben, arbeiten. Wenn davon ein Fahrzeug abweicht, müssen wir uns entsprechend abstimmen. Also haben wir gemeinsam mit dem Baureihen- und Flottenmanagement, das für die Vorgaben zuständig ist, eine Lösung erarbeitet.

Wir haben die Konstruktion und Statik geprüft und dann den Fußboden auf die gleiche Art und Weise wieder aufgebaut. Inzwischen ist der Zug wieder im Betriebseinsatz.

Und was beispielsweise für mich selbst auch eine große Überraschung war: Nach über 90 Fahrzeugen, an denen wir nur leichte Korrosion entdeckt haben, sind nun drei Fahrzeuge in unserem Werk, die wir mit unseren Möglichkeiten nicht instandsetzen können.

Das heißt, die mussten dann direkt ausgemustert werden?

Matthias Stauske: Nein, die schicken wir zur Maschinenbau und Service GmbH (MSG) Ammendorf in Halle an der Saale. Diese hat den größten Teil der Flotte gebaut und wird das nun für uns sanieren.

Das liegt nicht daran, dass wir das Fachwissen dafür nicht hätten, sondern einfach an der Infrastruktur. Denn dafür wird ein riesengroßes Konstrukt gebraucht, in das der Wagenkasten hinein geschoben werden kann – und das haben wir hier schlicht nicht.

Die Runderneuerung eines Zugs der Baureihe 481 dauert 55 Werktage.

Matthias Stauske Referent für das Projekt Langlebigkeit

Kann man also sagen, dass ausnahmslos jeder Zug fit für die Zukunft gemacht werden kann?

Matthias Stauske: Ich sag mal: Toi, toi, toi und klopfe auf Holz. Bis jetzt gab es keinen Zug, den wir nicht wieder instandsetzen konnten. Im Normalfall sagt man, dass ein Eisenbahnfahrzeug 30 Jahre hält. Und bei der Baureihe 481 ist das erste Fahrzeug von 1997. Damit hat der älteste Zug jetzt etwa 24 Jahre auf dem Buckel – und auch der war gerade hier und wir konnten ihn wieder fit machen.

Wie lange dauert insgesamt die Runderneuerung eines Viertelzuges?

Matthias Stauske: Eine Runderneuerung dauert 55 Werktage. Etwa alle zweieinhalb Tage wird ein Fahrzeug auf den nächsten Stand gesetzt, wir arbeiten da nach dem sogenannten Taktprinzip. Wenn das Fahrzeug fertig ist, geht es am Ende noch mal in die Abnahmehalle, in der wir die Möglichkeit haben, das Fahrzeug einmal komplett zu prüfen – auch mit der ganz normalen Spannung wie draußen im Netz, um es dann wieder in den Fahrgastbetrieb zu schicken.

Wo liegen beim Projekt Langlebigkeit die größten Herausforderungen?

Matthias Stauske: Das sind auf jeden Fall die schon angesprochenen Überraschungen, die kommen, denn die können klein oder groß sein. Für viele Probleme haben wir mittlerweile Lösungen parat, trotzdem warten die Fahrzeuge immer mit neuen Themen auf uns. Da geht es dann darum, schnell zu reagieren – aber auch darum, nur das eine Fahrzeug aufzuhalten und nicht den ganzen restlichen Takt. Denn der läuft weiter und wir müssen versuchen, ihn nicht zu gefährden und gemeinsam als Team eine Lösung zu finden. Das Beste ist, wenn wir es schaffen, das Fahrzeug im Takt weiterzugeben. Indem wir zum Beispiel Arbeiten umlagern.

Auf welchen Linien sind die erneuerten Züge bereits unterwegs?

Matthias Stauske: Sie fahren auf den Linien S41, S42 und S45. Außerdem haben wir bereits die Stadtbahn zu einem Drittel bestückt, also sind auf den Linien S3, S5, S75 und S9 ebenfalls modernisierte Züge im Einsatz. Anschließend kommt noch die Nord-Süd-Bahn dran – und die S7 kommt immer wieder mit dazu.

Im Rahmen der Modernisierung werden auch die Türen komplett überarbeitet
Im Rahmen der Modernisierung werden auch die Türen komplett überarbeitet.
Die aufbereiteten Türen sind schwarz wie bei der neuen Baureihe 483
Die aufbereiteten Türen sind schwarz wie bei der neuen Baureihe 483.
  • Mehr als 6.000 laufende Meter Wagenkasten-Langträger werden auf Korrosion untersucht und bei Befund saniert.
  • Rund 7.000 neue, schwarze Türflügel werden an den Einstiegen verbaut.
  • 5.000 Videokameras werden in den Fahrgasträumen installiert.
  • Mehr als 27.000 neue Sitzgestelle und blaue Polster werden verbaut.
  • Knapp 29.000 Quadratmeter Fußbodenplatten und 32.000 Quadratmeter Belag werden neu verlegt.
  • Horizontale Haltestangen werden nachgerüstet.
  • 12.000 taktile Türöffnungstaster werden eingebaut.
  • Elektronische Komponenten werden im Bereich Fahrzeugsteuerung erneuert: Fahrschalter und elektrische Schaltmittel werden ausgetauscht
  • Neues Design: Außenlackierung und Innenraum der Viertelzüge der Baureihe 481 werden an die neue S-Bahn der Baureihe 483/484 angepasst.
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