Sicher mobil – trotz Handicap
Das Mobilitätstraining der S-Bahn ist gut angekommen. Wir haben mit einigen Besuchern gesprochen.
Am 12. September hat die S-Bahn Berlin an den Bahnhöfen Schöneweide, Ostbahnhof und Nordbahnhof ein Mobilitätstraining durchgeführt. Auf Gleis 3 stand für alle Teilnehmer ein komplett leerer Halbzug bereit. Jeder war willkommen – ganz ohne Zeitdruck und Gedränge – das Ein- und Aussteigen zu üben und sich mit den Gegebenheiten am und im Zug vertraut zu machen. „Sicher mobil – trotz Handicap“ lautete das Ziel. Als Experten haben Mitarbeiter der S-Bahn, von DB Sicherheit sowie des VBB-Begleitdienstes das Training unterstützt.
Barbara Probst hofft auf mehr Sicherheit. Darauf, dass sie sich nach diesem Vormittag mehr traut. Deshalb ist die 65-Jährige zusammen mit ihrem Mann Herbert zum Mobilitätstraining der S-Bahn Berlin am Nordbahnhof gekommen. Eigentlich ist das Ehepaar fast immer zu zweit unterwegs, und Barbara Probst kommt gut mit ihrem Gehstock zurecht. Doch mittlerweile wird auch der Rollator immer wichtiger für die an Multipler Sklerose erkrankte Berlinerin. Und deshalb hat sie gemeinsam mit anderen Fahrgästen, die körperlich eingeschränkt sind, das Angebot der S-Bahn wahrgenommen.
Teilnehmer des Mobilitätstrainings
„Ich habe auch schon an anderen Mobilitätstrainings teilgenommen“, berichtet Barbara Probst. „Heute probieren wir es nun zum ersten Mal mit einer S-Bahn.“ Als größte Hürde für den Rollator hat das Ehepaar die Höhenunterschiede und die Lücke zwischen Zug und Bahnsteig ausgemacht. „Wobei das hier natürlich ein Idealzustand ist“, stellt Herbert Probst fest. „So wie hier, dass es sich um einen nahezu niveaugleichen Ausstieg handelt, ist es längst nicht überall. Dazu kommt Gedränge mit Fahrrädern und Kinderwagen.“
Außerdem beschäftigt Herbert Probst ein weiteres Problem: Da Rollstuhlfahrer über die Rampe an den ersten beiden Türen des Zuges einsteigen müssen, sollten diese entsprechend freigehalten werden. Er wünsche sich zudem, dass die Menschen noch mehr sensibilisiert würden. „Behindert bedeutet nicht nur, dass man im Rollstuhl sitzt.“
Teilnehmer des Mobilitätstrainings
Das weiß auch Rainer Gau, der zusammen mit seinem Vater zum Nordbahnhof gekommen ist. Der 87-Jährige hat nur noch zehn Prozent Sehkraft und ist seit einem Vierteljahr zusätzlich auf den Rollator angewiesen. Er appelliert an die Verkehrsunternehmen, mehr Raum für Menschen mit Einschränkungen zu schaffen – und an die anderen Fahrgäste, mehr Rücksicht zu nehmen und Vorrang zu gewähren. Rainer Gau hat gezielt das Training am Nordbahnhof ausgesucht, wegen der Lichtverhältnisse. „Die sind hier ein bisschen schlechter, als anderswo. So kann mein Vater besser üben, die weiße Linie zu sehen.“ Auch haben beide probiert, wie es mit dem Rollator am besten in den Zug rein- und wieder rausgeht.

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- André Groth
Dabei unterstützt und mit zusätzlichen Tipps versorgt wurden die beiden Männer unter anderem von Doris Ivanov vom VBB-Begleitservice. Sie weiß, dass vor allem die Alltagshektik ein Problem ist. Wenn es schnell gehen muss, macht das den Fahrgästen Angst. „Deshalb ist es umso wichtiger, dass sie bei diesen Trainings alles in Ruhe erkunden und kennenlernen können.“ Trotzdem sei es manchmal schwierig für Kunden, die allein unterwegs sind. Dann nützten auch Tipps, wie der, mit dem Rollator rückwärts aus dem Zug auszusteigen, nicht so viel.
Seit zwei Jahren im VBB-Begleitservice
Zum Nordbahnhof gekommen waren neben Rollstuhlfahrern, Senioren und Sehbehinderten auch Schüler der 6. Klassenstufe der Carl-von-Linné-Schule für Körperbehinderte aus Berlin-Lichtenberg. „Die fanden das großartig und haben ohne Furcht alles ausprobiert – das hat großen Spaß gemacht“, resümiert Doris Ivanov. Die Berlinerin ist zufrieden mit der Resonanz des Trainings am Nordbahnhof – und hofft, dass sich jetzt wieder ein paar mehr Fahrgäste sicherer fühlen, wenn sie mit der S-Bahn unterwegs sind.