Umwelt

Energiefressern auf der Spur

Die Nutzung von Ökostrom allein ist der S-Bahn nicht grün genug. Es geht noch klimafreundlicher, ist Jens Lachmann überzeugt. Er ist einer von drei Energie-Coaches der Berliner S-Bahn. Und erklärt, wie Züge im Schlaf Strom sparen.

Jens Lachmann ist einer von drei Energie-Coaches der S-Bahn Berlin

Die S-Bahn Berlin hat einen Energieverbrauch von 400 Gigawattstunden pro Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland benötigt ein Drei-Personen-Haushalt in einem Mehrfamilienhaus jährlich durchschnittlich 0,0026 Gigawattstunden pro Jahr. Wenn wir da nur wenige Prozente einsparen, sind das insgesamt sehr große Mengen. Das ist unser Ziel als Energie-Coaches: Wir wollen das Thema Energiesparen stärker in den Fokus rücken. Dafür beschäftigen wir uns mit dem Energieverbrauch des fahrenden Zuges – wie der Triebfahrzeugführer Einfluss nehmen kann, um den Stromverbrauch zu senken. Und wir beraten das Flottenmanagement, machen uns Gedanken über die technischen Eigenschaften der Anlagen und überlegen, wie man Züge energiesparender betreiben kann. Zum Beispiel wenn sie stehen.
 

Wenn sie stehen?

Klar, auch ein stehender Zug verbraucht Energie. Denn die Fahrzeuge sind rund um die Uhr am Netz. Weil der Aufwand, einen Zug komplett stromlos und dann wieder betriebsfähig zu machen, einen zeitlichen Aufwand bedeuten würde und mit Personalkosten verbunden wäre. Diesen Aufwand verringert man, indem man alle Züge immer betriebsbereit hält – auch die Fahrgasträume. Vor allem in kalten Wintern bedeutet das: Damit die Fahrgäste auch bei Fahrtbeginn im Warmen sitzen und Waggons und Technik keinen Schaden nehmen, werden diese Räume auch beheizt, wenn sie stehen.


Und das kostet Strom.

Genau. Darum haben wir eine Messanlage entwickelt, die an der Stromschiene misst, wie viel Energie der stehende Zug zieht. Mit unseren Werten haben wir Coaches belegt, dass es sinnvoll ist, Züge automatisch in eine Art Schlafmodus zu schicken, wenn sie zum Beispiel nachts auf dem Abstellgleis stehen. Diesen Energiesparmodus gab es bereits, aber niemand hat sich damit beschäftigt, weil keiner verstanden hat, wie viel Potenzial in ihm steckt. Unser Beweis hat dazu geführt, dass wir schon 266 Fahrzeuge mit diesem Modus ausgerüstet haben.


Was sind denn die größten Stromfresser im S-Bahnbetrieb?

Das Bewegen des Zuges verbraucht am meisten Strom. Dazu kommt die Heizung für den Fahrgastraum. Energiefresser Nummer drei ist der Eigenverbrauch des Zuges: die sogenannten Hilfssysteme, die den Zug am Leben halten, zum Beispiel damit die Computer funktionieren oder Licht brennt. Bei den neuen Fahrzeugen, die ab 2021 fahren werden, kommt dann noch die Klimaanlage dazu. Schön für die Fahrgäste, die im Sommer dann nicht mehr in eine heiße Schachtel einsteigen müssen. Aber energetisch betrachtet ist das natürlich ein Rückschritt.


Sie sagen, das Fahren verbraucht viel Energie. Wie kann man das ändern?

Indem man energiesparend fährt. Der Vorteil der Bahn ist ja, dass sie widerstandsarm rollt – anders als beispielsweise Autoreifen auf Asphalt. Beim Beschleunigen kann ich daher den Zug lange rollen lassen. Dabei verbraucht er kaum Energie. Denn Eisenbahnfahrzeuge haben eine hohe Masse und rollen auf Stahl sehr weit. Es liegt also in ihrer DNA, energieeffizient zu sein. Als Energie-Coaches überlegen wir, wie man das noch steigern könnte. Und geben unser Wissen dann an die Triebfahrzeugführer weiter.


Welche Erkenntnisse sind das zum Beispiel?

Dass sie unnötiges Beschleunigen vermeiden und den Zug lange ausrollen lassen. Sie sollten sich fragen: Gibt es der Fahrplan her, dass ich nicht die Höchstgeschwindigkeit fahren muss und trotzdem planmäßig am nächsten Bahnhof ankomme? Im Grunde ist es wie beim Autofahren: Ich bin im Stadtverkehr unterwegs und fahre von Ampel zu Ampel mit der Höchstgeschwindigkeit. Das ist nicht sinnvoll, weil ich mehr Energie als nötig verbrauche. So ist das auch bei Zügen – nur in größeren Dimensionen, was den Verbrauch angeht.


Und diesen Fahrstil bringen Sie den Triebfahrzeugführern bei?

Ja, das ist der Plan. Wenn die neuen S-Bahnzüge ab 2021 in Betrieb gehen, werden wir nach und nach alle 1.100 Triebfahrzeugführer schulen. Denn die neuen Züge haben einen Stromzähler, der direkt anzeigt, wie sich das Fahrverhalten auf den Energieverbrauch auswirkt. Das ist enorm wichtig für die Motivation. Vielen fehlt dieses Bewusstsein: Wenn ich den Hebel nach vorne bewege und der Zug anfährt, verbraucht das eine riesige Menge Strom. So viel nutze ich zu Hause in einem Jahr nicht. Auf diese Weise stellen die Triebfahrzeugführer fest: Eisenbahnen haben schon ökologische Vorteile – und mit dem Hebel in der Hand kann ich noch klimawirksamer sein.


Wie wird das Coaching ablaufen?

Als Energie-Coach und gelernter Triebfahrzeugführer fahre ich im Führerstand mit, unterhalte mich mit dem Triebfahrzeugführer über das Thema Energie, führe dann vor, wie man die Tipps umsetzen kann. Außerdem gebe ich meinem Kollegen Fahrszenarien für jede Strecke an die Hand, an denen er sich orientieren kann, um Strom zu sparen. Denn jede Strecke ist anders, auch was den Fahrplan anbelangt. An diesen Szenarien arbeiten wir derzeit. Bevor wir sie weitergeben, müssen wir allerdings noch Erfahrungen mit den neuen Zügen sammeln. Damit wir alle Stromsparmöglichkeiten ausnutzen können.

 

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