Berlins S-Bahn-Künstler
Wie Steven Karlstedt mit seinen Graffiti Bahnhöfe in Kunstwerke verwandelt
Erst klebt Steven Karlstedt die Wand mit Kreppband ab, dann setzt er seine Schutzmaske auf und sprüht gleichmäßig grüne Farbe auf den Beton. Nur noch ein paar Stunden, dann ist das Kunstwerk an der S-Bahn Osdorfer Straße endlich fertig, an dem er in den vergangenen anderthalb Monaten gearbeitet hat: Bäume und Wiesen des Schlossparks Lichterfelde verschönern die Unterführung genauso wie Fotomotive des alten Heizkraftwerks am Teltowkanal.
Mit seinen drei 160 Meter hohen Schornsteinen ist es eine Art Wahrzeichen für den Berliner Südwesten. „Mit einem Projektor habe ich zunächst ein Foto des Gebäudes an die Wand geworfen und mit Bleistift vorgezeichnet“, so Karlstedt. Damit später selbst feinste Linien zu erkennen sind, hat der Graffiti-Künstler Streifen aus Karton zurechtgeschnitten und entlang der Ränder die verschiedenen Farbtöne aufgetragen. Herausgekommen ist ein detailgetreues Abbild des Kraftwerks. Sollen seine Motive abstrakter aussehen, löst sich Karlstedt beim Sprühen schnell von seiner Vorlage.
Graffiti-Künstler
Die Idee hinter seinen Kunstwerken für die S-Bahn: Motive zu malen, die Besonderheiten aus dem Kiez rund um den Bahnhof widerspiegeln – oder die zeigen, welche Bedeutung die Station für die Berliner:innen hat.
Mittlerweile 21 Bahnhöfe hat der 38-Jährige bereits in der Hauptstadt gestaltet. Graffiti-Fans können mit der S-Bahn eine Tour kreuz und quer durch die Spreemetropole machen, um seine Werke zu besichtigen – ob an Touristen-Hotspots wie Bellevue, Hauptbahnhof, Potsdamer Platz und Sonnenallee, oder in Lichtenberg, Karlshorst, Spandau und Marienfelde.
Zu seinen persönlichen Lieblingsbildern gehört das metergroße Kunstwerk, das er an der Landesberger Allee gesprüht hat. Auf dem Weg zum Ausgang kommt Fahrgästen dort ein riesiger Schwimmer entgegen. Ein paar Stufen die Treppe hinunter gelangen sie „unter Wasser“ und begegnen einer kleinen Taucherin, passend zur Schwimmhalle um die Ecke.
Bei Hertha-Fans ist der Bahnhof Gesundbrunnen beliebt. Schließlich lässt sich hier ein prima Selfie mit Hanne Sobek machen – dem berühmten Fußballstar der 1920er-Jahre, den der Graffiti-Künstler dort verewigt hat.
Graffiti-Künstler
Angefangen hat er mit kleinen Aufträgen wie der Bemalung von Kinderzimmern. „Schnell habe ich jedoch gemerkt, dass mir großformatige Fassaden und Objekte für Geschäftskund:innen mehr Spaß machen.“ Bevor sich Karlstedt für ein Thema entscheidet, schaut er sich vor Ort die Flächen und die Lichtverhältnisse genau an. „Danach entsteht ein Motiv, das ich erst am Rechner zu Hause kreiere und dann auf die Wände übertrage.“
Schon als Teenager war der Köpenicker mit der Spraydose unterwegs. Anfangs sprühte er Schriftzüge, in der Szene ‚Tags‘ genannt. „Das fanden natürlich nur wenige Leute toll. Ich wollte deshalb gerne Bilder malen, die begeistern.“ Mittlerweile ist Karlstedt bekannter Streetart-Künstler in Berlin.
Während seiner Arbeit kann es passieren, dass er von der Polizei kontrolliert wird. Kein Wunder, schließlich darf öffentliches oder privates Eigentum nur mit Zustimmung der Besitzer:innen bemalt werden. Illegale Graffiti sind kein Kavaliersdelikt. Bis zu 30 Jahre lang können die Sprayer:innen dafür haftbar gemacht werden. „Zum Glück kann ich im Ernstfall nachweisen, dass ich im offiziellen Auftrag der S-Bahn Berlin unterwegs bin.“
Sprecherin bei der S-Bahn Berlin
Legale Graffitikunst mache die Bahnhöfe dagegen nicht nur schöner, sondern trage dazu bei, Verschmutzungen zu verringern. Auch Karlstedt sagt, dass aufwändig gestaltete Flächen Wirkung zeigen. „Die meisten Sprayer:innen aus der Szene haben Respekt, weil sie wissen, wie viel Arbeit und Leidenschaft in solchen Bildern stecken.“
Neben Kunst setzt die S-Bahn auf Graffitiblocker zum Schutz gegen Schmierereien in den Bahnhöfen: Dafür wird ein schützender Film aus Silikat mit Rolle und Pinsel aufgetragen, der jedoch regelmäßig erneuert werden muss. Auch auf die Kunstwerke von Karlstedt werden sie aufgebracht, sobald sie fertig sind.
Viel Lob für Karlstedts Arbeit gibt es von Passant:innen, die mitverfolgt haben, wie das Graffiti in den vergangenen Wochen entstanden ist:
Passantin