Zeitreise durch's Wannsee-Werk
Zum Jubiläum alle Tore offen: Anlässlich des 90. Geburtstags gab es spannende Einblicke in der Werkstatt.
„Die Berliner S-Bahn ist für mich ein Stück Heimat“, erzählt Günter Mösenthin. Als 1961 die Mauer gebaut wird, sei er „aus Berlin abgehauen“. Die Rotgelbe liegt ihm jedoch noch heute am Herzen.
Besucher
Heute wohnt Mösenthin in Düsseldorf – und ist extra in die Hauptstadt gekommen, um bei der Führung im Werk Wannsee dabei zu sein, das sein 90. Jubiläum feiert. „Ich habe als punkt-3-Abonnent von der Veranstaltung erfahren und freue mich darauf, hinter die Kulissen der S-Bahn zu schauen.“
Gemeinsam mit seiner „Reisegruppe“ – kleine und große Bahnfans – steigt er in den Shuttle-Zug der Baureihe 480 am S-Bahnhof Wannsee. Im Volksmund liebevoll „Toaster“ genannt, wurde sie über viele Jahre im Werk Wannsee gewartet und repariert.
Nur ein paar Minuten später hält der Zug mitten in der Waschanlage des Werks. Freundlich werden die Besucher:innen von Werksleiter Felix Degenkolbe und Steuerungsmeister Bernd Fischer in Empfang genommen, die sie durch die Hallen des Geburtstagskindes führen. Eine Reise durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der S-Bahn Berlin.
Wie alles begann...
Bereits 1933 ging das Werk ans Netz – mit zwei Hallenteilen für vier Wartungsgleise, einem Werkstattgleis sowie einem Verwaltungsgebäude. Der Entwurf stammte von Reichsbahnarchitekt Richard Brademann, der bereits das Empfangsgebäude des Bahnhofs Wannsee entworfen hatte. Statt schnaufender Dampfrösser sollten im Werk künftig strombetriebene Züge für die Weiterfahrt flott gemacht werden.
Einen Oldtimer – Baujahr 1928 – konnten die Besucher:innen gleich zu Beginn der Führung erleben: Längst sind im Inneren des alten Triebwagens (ehemals Baureihe 275) die hölzernen Sitzbänke verschwunden.
Wo einst Fahrgäste saßen, sind heute Werkzeuge, Bergungsmaschinen und ein Raum für die Crew untergebracht. Als „Werkstatt auf Schienen“ ist der Zug innerhalb von Minuten startklar, um zu helfen, falls zum Beispiel ein Baum umgestürzt ist im Netz oder eine Bahn entgleist.
Instandhaltungsplaner
Schulterblick bei den Experten
Einige Schritte weiter können die Gäste den Mitarbeiter:innen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. An der Unterflur-Radsatz-Drehmaschine werden die Laufflächen der Radsätze vermessen und Unebenheiten im Profil beseitigt.
Besucher Veit, der mit seinem Vater zusammen die Tour durch die Halle macht, ist begeistert:
Besucher
Der Lichtenberger hat fast alle Werkstätten der S-Bahn Berlin bereits besichtigt, nur Oranienburg fehlt ihm noch in seiner Sammlung. „Bisher war ich an den Tagen der offenen Tore in den Werken, da wurde vor Ort aber nicht gearbeitet.“
Im Werk Wannsee machen 85 Mitarbeiter:innen in vier Schichten die Züge rund um die Uhr wieder fit – ob Schlosser:innen, Elektriker:innen oder Ultraschallprüfer:innen. Kaputte Teile werden ersetzt und die Sandbehälter für die Bremsen mit frischem Sand aufgefüllt.
Spannend finden die Besucher:innen auch eine weitere Station auf ihrem Weg durch die Halle: die S-Bahn von unten. Zusammen mit Degenkolbe steigen sie einige Treppenstufen hinab und wandern dann unter dem Fahrzeug entlang. Was auf den ersten Blick wirkt wie ein undurchsichtiges Gewirr aus grauen Schläuchen, Platten, Gittern und Kästen, entpuppt sich während der Führung als Fahrmotor, Getriebe, Bremsscheibe oder Zugsicherungssystem mit Radarsensor.
Wie die neue S-Bahn gesteuert wird
Wieder oben angekommen, dürfen die Gäste noch einen Blick in den Führerstand eines nagelneuen Zugs der Baureihe 483/484 werfen, der bald auf der Ringbahn unterwegs sein wird. Mit seinen Displays und Monitoren erinnert das Cockpit an einen rollenden Computer:
Fahrzeugingenieur bei der S-Bahn Berlin
Und, willst du mal Lokführerin werden?“, fragt eine S-Bahn-Mitarbeiterin zum Schluss ein Mädchen, das mit seinen Eltern und seinem Bruder gekommen ist. „Ich überlege noch“, meint die Grundschülerin lächelnd.