Wo das "Gehirn" der S-Bahnen gewartet wird
In der Mikrowerkstatt halten Michelle und Mecilia die Bordcomputer unserer S-Bahnen instand.
„Da-Dü-Da“, tönt es am Prüfstand in der Mikrowerkstatt in Schöneweide – das bekannte Türsignal der älteren S-Bahn-Baureihen. Per Knopfdruck löst es Michelle auf einer Wand aus, die mitten in der Werkstatt steht – und auf der es fast genauso aussieht wie in einem Führerstand der S-Bahn. Verschiedene Displays, Anzeigen, Knöpfe, Mikro und Funktelefon sind hier zu sehen, die der:die Lokführer:in im Zug bedient.
„Wir testen, ob der ausgebaute Bordcomputer einwandfrei funktioniert“, erklärt die Elektronikerin. Ist er defekt, kann der Rechner Fehler oft selbst diagnostizieren – von der Türstörung bis zur Notsprechanlage. Gibt es irgendwo einen Kurzschluss, fallen wichtige Funktionen aus.
Ab in die Waschmaschine!
Ist ein Bauteil im Computer kaputt, ist erstmal saubermachen angesagt: Per Druckluft wird Staub und Schmutz von den Platinen des Computers gepustet. Falls nötig, kommt das Bauteil sogar in die Waschmaschine. Die sieht aus wie ein normaler Geschirrspüler in der Küche, reinigt aber mit gefiltertem Wasser und Spezialwaschpulver. Und statt Tellern werden die Platinen in die Körbe gesteckt.
Elektronikerin in der Mikrowerkstatt
Langer Atem gefragt
Um herauszufinden, was dem „Patienten“ fehlt, ist Geschick und eine gute Spürnase gefragt. Die beiden Elektronikerinnen prüfen die vielen winzigen Bauteile auf der Platine ganz genau: Kondensatoren, Relais, Schalter, Kabel und vieles mehr sind auf der Metallplatte zu sehen. Um den Fehler zu finden, checken die Profis die teils winzigen Komponenten mit der Lupe oder messen die Spannungen und Widerstände. Bei der genauen Diagnose helfen Schaltpläne, aber auch viel Erfahrung.
Manchmal gelingt es, den Fehler innerhalb von einigen Stunden zu finden. Manchmal dauert es jedoch auch einige Wochen. „Das ist ein bisschen wie Detektivarbeit und braucht viel Ausdauer“, erzählt Mecilia.
Umso größer ist die Euphorie, wenn das Team herausgefunden hat, welche Komponente kaputt ist. „Das Gerät wieder zum Laufen zu bringen, ist unsere Challenge“, meint die Elektronikerin.
Dabei ist eine ruhige und präzise Hand am „OP-Tisch“ gefragt. Per Lötkolben werden die defekten Teile von der Platine gelöst und neue befestigt. Obwohl die 27-Jährige bereits seit ihrer Ausbildung bei der S-Bahn Berlin arbeitet, ist es immer wieder ein Erfolgserlebnis, wenn sie einen Rechner zum Laufen bringen und auf die Schiene schicken kann.
Elektronikerin in der Mikrowerkstatt
Die „Gehirne der Fahrzeuge“ steuern Bremsen, Motoren, Signale, Notsprechstellen, die Fahrgastanzeigen und vieles mehr. Weil bei der S-Bahn Sicherheit an erster Stelle steht, gibt es die Rechner immer in doppelter Ausführung in den Zügen. Fällt einer aus, übernimmt der andere als Back-up.
Familiäre Atmosphäre
Elektronikerin in der Mikrowerkstatt
Besonders gut gefällt ihr die familiäre Atmosphäre im Werk Schöneweide: „In unserem Team ist der Zusammenhalt sehr groß“, sagt sie. Und auch ihre Kollegin Mecilia bestätigt: „Ich komme jeden Tag gerne zur Arbeit, das ist ja nicht selbstverständlich.“
Praktisch finden beide, dass sie auch zu Hause elektrische Geräte reparieren, Kabel verlegen oder Lampen aufhängen können. „Freunde und Familie sind glücklich, wenn ich das Lieblings-Modellauto wieder flott mache oder den Wasserkocher“, sagt Mecilia. „Reparieren statt wegwerfen ist sehr wichtig, wenn wir nachhaltig leben wollen“, ergänzt ihre Kollegin.
Eine neue Aufgabe steht an
Im Werk Schöneweide halten die beiden mit ihrem Team die Computer aller Baureihen in Schuss und führen Software-Updates durch. „Der Trend geht hin zu komprimierten Rechnern mit immer mehr Leistung. In der neuen Baureihe 483/484 gibt es einen zentralen Rechner, der alle anderen Computer des Zugs steuert“, erklärt Michelle.
Künftig werden Fehler von den Elektronikerinnen und Elektronikern direkt im Zug per Laptop gecheckt. „Wir sind sehr gespannt auf die neue Baureihe, die aktuell noch beim Hersteller gewartet, aber in Zukunft auch bei uns in Schöneweide instand gehalten wird."