Sicherheit

Notfallübung für den Ernstfall

So übten Einsatzkräfte gemeinsam am S-Bahnhof Potsdamer Platz.

Feuerwehrkräfte trainieren im Rahmen einer groß angelegten Notfallübung die Rettung von Verletzten.
Feuerwehrkräfte trainieren im Rahmen einer groß angelegten Notfallübung die Rettung von Verletzten.

Die Sirenen der zahlreichen Feuerwehren sind weithin hörbar und die blinkenden Blaulichter der Schlange an Polizeiautos lenken jede Aufmerksamkeit auf sich. Ein Hubschrauber kreist darüber. Am Vormittag des 5. April um kurz vor halb elf ist rund um den Potsdamer Platz anscheinend die Hölle los.

Schaulustige bleiben stehen, recken die Hälse und beobachten Polizist:innen in voller Montur, wie sie – scheinbar schwer bewaffnet – die Treppe zum S-Bahnhof hinuntergehen. Dann werden Verletzte aus einer S-Bahn im Tunnel gerettet und nach oben getragen. Was ist dort unten geschehen? Ein schwerer Unfall? Ein terroristischer Anschlag? Doch die Waffen sind nicht geladen, kein Mensch ist verletzt worden. Es handelt sich lediglich um eine Notfallübung.

Aus der Vogelperspektive wird das Ausmaß der Notfallübung rund um den Potsdamer Platz sichtbar: Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Polizei stehen bereit, um den Ernstfall realitätsnah zu proben.
Aus der Vogelperspektive wird das Ausmaß der Notfallübung rund um den Potsdamer Platz sichtbar: Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr, Rettungsdiensten und Polizei stehen bereit, um den Ernstfall realitätsnah zu proben.

Ein mit 170 Fahrgästen besetzter Halbzug der Baureihe 481 entgleist im Nord-Süd-Tunnel kurz vor dem S-Bahnhof Potsdamer Platz und kollidiert mit der seitlichen Stromschiene. Fahrgäste müssen evakuiert und Verletzte gerettet und versorgt werden – mit diesem Szenario haben Feuerwehr, Bundes- und Landespolizei sowie die Deutsche Bahn mehrere Stunden lang den Ernstfall geprobt. Der reguläre S-Bahnbetrieb war davon nicht betroffen.

Ein paar Stunden zuvor ist noch alles ruhig, der Potsdamer Platz scheint zu schlafen. Doch im 16. Stock des Bahn-Towers sind die letzten Vorbereitungen für die große Notfallübung, die ein ganzes Jahr im Voraus geplant wurde, schon in vollem Gange.

„Die Deutsche Bahn ermöglicht den Feuerwehren und der Polizei in regelmäßigen Abständen die Durchführung von Übungen in Tunneln“, erklärt Juliette Lück, Übungsleiterin DB InfraGO. Es sei wichtig, dass alle im Ernstfall bestmöglich vorbereitet sind – auch in einer schwierigen Situation.

Bevor es losgeht, erhalten die Kompars:innen letzte Anweisungen: Insgesamt 170 Freiwillige schlüpfen bei der Notfallübung in die Rolle von Fahrgästen – manche mit täuschend echten Verletzungen, um den Rettungskräften ein realistisches Szenario zu bieten.
Bevor es losgeht, erhalten die Kompars:innen letzte Anweisungen.
Während die Polizei die Lage checkt, sorgt Lokführer Roy Wallis dafür, dass der Zug nicht mehr unter Spannung steht.
Während die Polizei die Lage checkt, sorgt Lokführer Roy Wallis dafür, dass der Zug nicht mehr unter Spannung steht.

Ziel der Übung sei es, vor allem die Meldewege sowohl intern als auch zwischen DB und den Rettungskräften zu erproben und zu verbessern. Dabei gilt: Die Sicherheit der Fahrgäste und Mitarbeitenden hat höchste Priorität. Die Rettungskräfte erhalten die Gelegenheit, eine Evakuierung von verletzten und unverletzten Personen unter herausfordernden Bedingungen zu üben. Beobachter sind ebenfalls vor Ort, um den Einsatz der beteiligten Kräfte zu bewerten.

Bei der Übung sind auch Beobachter im Einsatz, um die Übung im Nachgang auszuwerten
Bei der Übung sind auch Beobachter im Einsatz, um die Übung im Nachgang auszuwerten

Rund 300 Menschen sind am Übungsszenario beteiligt, darunter die Berliner Feuerwehr, die Landes- und Bundespolizei, die Notfallleitstelle BZ S-Bahn Berlin, die Leitstelle Plus der S-Bahn, der Regio Notdienst, der Notfallmanager, Fahrdienstleiter der DB InfraGO und Roy Wallis, Trainer und Triebfahrzeugführer (Tf) der S-Bahn Berlin, der den verunfallten Zug fährt.

Und natürlich braucht es für eine solche Notfallübung auch Fahrgäste: Das Interesse war im Vorfeld riesig: Mehr als 400 Menschen haben sich für die 170 Kompars:innenrollen gemeldet - manchen werden täuschend echte Verletzungen geschminkt, um den Rettungskräften ein realistisches Szenario zu bieten. Auch S-Bahnmitarbeitende befinden sich unter den Kompars:innen, so die S-Bahn-Instandhalter Robert Köhler und Tobias Schütte sowie Instandhaltungsleiter Christopher Hermann.

Wir haben an so einer Übung noch nie teilgenommen und sind gespannt.

Tobias Schütte Instandhalter bei der S-Bahn

Auch Kathrin Doering hat sich als Komparsin gemeldet. Normalerweise für die Datenerfassung im Werk Friedrichsfelde verantwortlich, schlüpft sie in die Rolle eines Fahrgasts.

„Eine Wunde am Kopf und Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma – das werde ich heute spielen“, erzählt sie, während Tina Kretschmann ihr das Kunstblut quer über die Stirn streicht. Kretschmann ist Chefin der Realistischen Unfall- und Notfalldarstellung beim DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e. V.) und seit 25 Jahren „immer vor Ort, wenn es schlimm aussehen soll“, erklärt sie. „Ich brauche einmal das Krustenblut“, ruft sie laut durch den S-Bahnzug und tupft Doering die dunkle Paste ins Gesicht.

Die Kompars:innen wurden geschminkt und spielen bei der Notfallübung ihre Rolle.
Die Kompars:innen wurden geschminkt und spielen bei der Notfallübung ihre Rolle.
Wie im Ernstfall auch werden Verletzte abtransportiert und anschließend versorgt.
Wie im Ernstfall auch werden Verletzte abtransportiert und anschließend versorgt.

Dann wird es ernst: Jede:r geht in Position und wartet. Um 10.23 Uhr wird ein Notruf abgegeben, Polizei und Feuerwehr treffen wenig später ein. Nachdem die Polizei den Unfallort inspiziert hat, kommen die Helfer:innen der Feuerwehr zum Einsatz: Innerhalb mehrerer Stunden holen sie die unverletzten und verletzten Fahrgäste aus der Unfall- S-Bahn. Um 14 Uhr ist alles vorbei: Der letzte Verletzte ist gerettet.

Übungsleiter Andreas Kühn zieht ein erstes positives Fazit der groß angelegten Notfallübung.
Übungsleiter Andreas Kühn zieht ein erstes positives Fazit der groß angelegten Notfallübung.

Fazit von S-Bahn-Übungsleiter Andreas Kühn:

Die Übung ist gut verlaufen. Sie hat gezeigt, dass wir immer wieder Rettungs- und Kommunikationswege trainieren müssen. Wir sehen beim Übungsszenario deutlich, wo wir noch besser werden müssen. All das wird nun ausgewertet. Aber es hat auch gezeigt, dass wir im Ernstfall genau wissen, was zu tun ist.

Andreas Kühn S-Bahn-Übungsleiter
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